“A Creator’s Guide to Transmedia Storytelling: How to Captivate and Engage Audiences Across Multiple Media” ist eines der ersten Handbücher für Transmedia Storytelling, das kurz nachdem das Thema 2011 den Gipfel seines Hypestatus erklommen hatte, veröffentlicht wurde. Gleich vorab: dieses Buch wurde für Menschen geschrieben, die selbst Transmedia Storyteller werden wollen. Die Perspektive ist, wie der Titel verspricht, diejenige des Storytellers oder Experience Designers und der Fokus ist ganz klar darauf ausgelegt, was das Publikum will und braucht, um eine gute Geschichte über mehrere Medien hinweg zu verfolgen.

Statt eine dogmatische Definition voran zu stellen, erzählt Andrea Phillips daher auch lieber, was das Besondere an transmedialen Narrativen ist: kein anderes Medium kann Menschen so in Bann ziehen, dass sie sich tatsächlich verantwortlich für den Weitergang der Geschichte und ihrer Charaktere fühlen. Sie engagieren sich für “ihre” Figuren und stellen wirkliche emotionale Verbindungen mit der Story und oft auch den anderen Mitspielern her. Transmedia Geschichten können zu Plattformen der Kollaboration und Kreativität vieler werden.

Was ist Transmedia Storytelling?

Natürlich muss sie dennoch eine Definition von TMS treffen und versucht dabei, die in Amerika andauernde Ost- vs. Westküsten Transmedia Debatte (vereinfacht: Independent vs. Hollwood/Franchises), zu vereinen. Abgeleitet von der Basis-Definition von Henry Jenkins stellt sie fest:

“We have three criteria for transmedia storytelling: multiple media, a single unified story or experience, and avoidance of redundancy between media. Sounds like Stars Wars [West Coast, Anm. DM] to me. Sounds like Pandemic [East Coast, Anm. DM], too.”
Wie erzählt man transmedial – egal ob Ost- oder Westküste?
Andrea Phillips geht es wie gesagt ums Machen, daher rät sie auch dazu, sich nicht den Kopf zu zerbrechen, ob das eigene Projekt nun transmedial ist, oder nicht (Hauptsache, die Geschichte ist gut), sondern anzufangen. Nachdem ich mich gerade darüber geärgert habe, dass wir es in der Kreativ Lounge verpasst haben, zu definieren, ist diese Perspektive erholsam. Wie Phillips aber auch erwähnt: die Definitionen und damit Abgrenzungen sind wichtig, wenn es um Fördergelder bzw. Produktions-Credits geht. Und die sind bei uns einfach noch nicht bei Transmedia angekommen… Wie auch immer, transmediales Erzählen funktioniert laut Phillips so:
“Either you take a single story and splinter it across multiple media, or you start with one story and keep adding pieces ad infinitum. Both of these processes will result in projects that can be described with phrases like ‘greater than the sum of its parts’ and ‘a single cohesive story’.”
Das Wichtige dabei ist:
“Every single element of a transmedia story has to be fulfilling a narrative purpose, without exception.” (Pos. 637)

Tipps für Anfänger

Anhand des Versuchs, Romeo und Julia mit kleinem Budget transmedial zu erzählen, leitet sie die Leser weiter und gibt Tipps, wie man Charaktere über Social Media aufbaut (z.B. nicht in der Zeit einfrieren, sie müssen sich entwickeln können) und auch ihre zahlreichen Interviewpartner steuern vielfältige Anregungen bei, was es braucht, um Geschichten gut transmedial zu erzählen, von Sean Stewart und Adrian Hon “Respect your audience.” über

Michael Andersen “Play games, and voraciously consume the media you plan on using.”
Andrea Phillips rät Anfängern dazu, mit dem “World Building” zu starten:

“Worldbuilding is all about efficiently conveying information about the time, place, and mood of your story.”

Im Film wäre das der Establishing Shot, in der Literatur eine Beschreibung der Szene und ihrer Charaktere, bei Transmedia Storytelling kommen einfach noch ein paar weitere Punkte hinzu. Doch bevor ich jetzt das ganze Buch nacherzähle, das sich sinnvoll in Einführung, Storytelling, Struktur, Produktion und das “Big Picture” unterteilt, ein generelles Fazit:

Fazit

Ihren im Vorwort postulierten Anspruch ans eigene Buch, nämlich Anfängern zu helfen und erfahrene Transmedia Schöpfer (sie begrenzt es nicht auf Storyteller, verwendet aber auch nicht Producer) besser zu machen, wird Andrea Phillips mehr als gerecht. Die übers Buch verteilten Interviews mit allen bekannten Gesichtern der Branche, die für die größten und kreativsten Projekte der letzten Jahre stehen, sind eine willkommene Erweiterung ihrer Perspektive. Sie geben zugleich einen guten Überblick, wo man sich noch umgucken kann, um weitere Inspiration zu finden und welche Case Studies man sich ansehen sollte. Sie unterstreichen ihren Ansatz, dass man machen muss, um Transmedia Storytelling zu lernen. Im Vergleich zu beispielsweise Robert Prattens “Getting Started in Transmedia Storytelling” erzählt Andrea Phillips mehr und persönlicher. Wer das Buch liest, bekommt Anleitungen und Tipps, wie man Geschichten transmedial erzählt, spannende Experiences entwirft und auch, wie man Teams und Funding dafür sucht.
Dafür ist Pratten knapper und veranschaulicht alle Punkte mit einfachen Schaubildern. In meinen Augen ergänzen sich die beiden Ansätze recht gut, denn: Wenn es an die tatsächliche Konzeption eines Transmedia Storytelling-Projektes geht, würde ich immer zu Robert Prattens Buch raten, da seine Gliederung und die Grafiken das perfekte eher technische Rüstzeug liefern um einen Förderantrag oder ein Pitchpapier zu erstellen.

Wer ist Andrea Phillips?

Andrea Phillips war bereits 2001 dabei, als rund um Steven Spielbergs Film A.I. das erste große Alternate Reality Game (das ARG The Beast) entwickelt wurde und sich die Cloudmaker bildeten, eine Spielergruppe aus der sich die ARG-Community entwickelte. Sie war Spielerin und wechselte bald die Seiten: als preisgekrönte Transmedia Autorin und Game Designerin für Independent Produktionen, Serious Games, Werbekampagnen, originäre Transmedia Projekte (auch “native transmedia” oder “original intellectual property”, IP) sowie Entertainment Franchises deckt sie die ganze Palette ab und berichtet im Buch von ihren Erfahrungen bei diesen unterschiedlichen Projekten und welche Schlüsse sie daraus zog. Sie ist eine der vielen Frauen, die im anglo-amerikanischen Raum als Transmedia Storyteller arbeiten. Ihr aktuelles, gerade angelaufenes Projekt “Captain Lucy Smokeheart” ist eine via Crowdfunding finanzierte in Fortsetzungen veröffentlichte Geschichte.

 

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