Dieser Tage erscheint der dritte Band von Tony Cliffs “Delilah Dirk”-Reihe und deswegen ist dies eine günstige Gelegenheit einen Blick zurück auf den ersten Band zu werfen.
“Delilah Dirk and the Turkish Lieutenant” ist ein ein historisches Action-Adventure, das angeblich vor dem Hintergrund der Napoleonischen Kriege stattfindet. Doch man sollte es mit der Historie nicht zu eng sehen: Ein bißchen Fantasy, ein bißchen Steam-Punk, ein bißchen Indiana Jones und sehr, sehr viel Tintin haben ihren Weg in diese Geschichte gefunden. Aber der Reihe nach…
Erdemoglu Selim ist eine Leutnant im Janitscharenkorps des Osmanischen Sultan. Zwar ist sein Posten prestigeträchtig, aber Selim (wie er im Laufe der Geschichte meistens genannt wird) ist nicht gerade glücklich damit: Er ist nicht der kampferprobte Haudrauf, den seine Vorgesetzten von ihm erwarten. Stattdessen kümmert er sich mehr um die Verwaltung und trinkt in seiner Schreibstube seinen eigenen, spektakulär guten Tee.
Da er Englisch spricht soll er eines Tages eine Gefangene verhören, eine gewisse Delilah Dirk. Die ungewöhnliche junge Frau, tischt ihm eine unglaubliche Geschichte auf: Angeblich ist sie die beste Schwertkämpferin der Welt, eine Abenteurerin, die bereits den halben Globus bereist hat und über ein fliegendes Schiff verfügt. Sein Vorgesetzter tut diese Geschichte als Unfug ab und ist kurz davor Selim dafür zu degradieren, dass er scheinbar nichts sinnvolles aus der Gefangenen herausgeholt hat. In diesem Moment fliegen ein paar Wachen durch eine zerberstende Tür, die vermeintliche Gefangene Delilah Dirk taucht mit einem Schwert in der Hand auf und das Chaos nimmt seinen Lauf…
Von hier ab ist alles wütende Soldaten, Beinahe-Hinrichtungen, ein Einbruch in eine Piratenfestung, ein fliegendes Schiff, ein Äquadukt der von Artillerie bombadiert wird und so weiter…
Wo Delilah Dirk ihren Fuß hinsetzt fliegen die Fetzen und Selim bleibt – als vermeintlicher Verräter – garnichts anderes übrig als mit ihr zu flüchten. Denn auch wenn Delilah die Titelheldin ist, dieser erste Band ist Selims Geschichte. Alles dreht sich darum, wie er von einem eher duckmäuserischen Bürokraten zu einem freiheitsliebenden Gefährten wird.
Es ist gerade dieser liebevolle Blick auf Charaktere, der Tony Cliffs Reihe zu mehr als einem bloßen Action-Feuerwerk macht. Auch die Nebenfiguren sind vielfach erstaunlich vielschichtig: Da widmet Cliff ein paar Seiten zwei glücklosen Fischern, die ihre Nachbarn um ihren Fang beneiden; oder ein alter Mann darf sich mit ein gehörigen Portion Ironie über seine Familie “beklagen”. Gerade diese Passagen sorgen auch dafür, dass Istanbul und Anatolien – so wenig realistisch sie auch sein mögen – nicht nur bloße Kulissen voller “exotischer” Statisten sind, die unsere Helden überwinden müssen. Zumal für Selim die Gastfreundschaft und das Versprechen auf ein einfaches, gemütliches Leben eine viel größere Gefahr ist als all die Soldaten, die das Duo verfolgen.
Wie bei so vielen Comicreihen ist der Einstieg noch etwas ungelenk: Cliffs Zeichenstil hat sich im Laufe der recht langen Entstehungsgeschichte dieses ersten Bandes deutlich weiterentwickelt. Er hat deswegen einen Prolog vorangestellt, der sein späteres Können demonstriert. Das erste Kapitel fällt dann wieder deutlich ab, bevor sich alles auf den folgenden 180 Seiten immer weiterentwickelt. Im letzten Kapitel hat Cliff dann seinen Stil gefunden, wo bis auf wenige Details schon alles vorhanden ist, was die “Delilah Dirk”-Reihe auszeichnet: Dynamische Panels in einem klassischen Layout, Figuren in expressiven Posen an stimmungsvollen Orten, harmonische Farbgebung, alles offensichtlich vom Franko-Belgischen Stil mit dem Schwerpunkten auf Hintergründen und dem Gefühl von Ortsverbundenheit inspiriert.
Während “Delilah Dirk and the Turkish Lieutenant” Selims Geschichte verfolgt, so ist der nachfolgende Band “Delilah Dirk and the King’s Shilling” wiederum ganz Delilah gewidmet und gestaltet die notorische Abenteurerin weiter aus. Hier demonstriert Cliff dann, dass er sich nicht nur gestalterisch, sondern auch inhaltlich weiterentwickelt hat: Das Action-Adventure wird hier zum Politthriller und ein bißchen Jane Austen spielt auch noch mit hinein. Es mangelt also nicht an Abwechslung.
Man darf gespannt sein, wo es Selim und Delilah in ihrem gerade erschienen “Delilah Dirk and the Pillars of Hercules” hintreibt.
Tony Cliff
“Delilah Dirk and the Turkish Lieutenant”
First Second Books
ISBN: 978-1596438132
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